Longé, Elisabeth–ZT 6.3.1881

Lästext

Elisabeth Longé till Zacharias Topelius 6.3.1881



Stralsund, Ossenreyerstraße N:o 3.
6. März 1881.


Hochverehrter Herr Professor!

1 Wenn Sie es mir erlauben, statte ich vor allem Andern Bericht ab über die mir so ungemein interessanten lemma startNachforschungen, die ich nach der “Herzogin von Finland” gehaltenkommentar. Ich hätte Ihnen schon früher Nachricht gegeben, jedoch einer der Herren, die ich um Auskunft gebeten, ließ mich so lange warten. lemma startIa, es ist Eva Merthen, die hier am 15. October 1811 verstorben ist; die vom Prediger der Gemeinde, zu der ihr einstiges Wohnhaus gehört, unterschriebene Notiz darüber aus dem Kirchenbuch lege ich diesem Briefe bei; da derselbe eine überaus unleserliche Hand schreibt, habe ich die wenigen Zeilen auf der Rückseite des Blattes noch einmal copirt.kommentar

2 Meine lemma startHauptnachrichtenkommentar stammen aber von einer alten 90 jährigen Dame her, Frau Hecht, deren verstorbener Mann das Reichenbachsche Haus nach dem Tode der Frau Schloßhauptmann v. R. gekauft. Von Kindern aus lemma startdieser zweiten Ehekommentar hat man|| hier nie etwas gewußt, Frau Hecht ist auch überzeugt, daß keine vorhanden gewesen sind, da der gesammte lemma startNachlaßkommentar – eine reiche Auswahl von Kostbarkeiten an Silbergeschirr und Brillanten (es hat hier geheißen, Keith habe im 7 jährigen Krieg irgendwo ein Schloß gestürmt und dabei so viel Herrlichkeiten erbeutet, in jener Zeit wohl nichts Unerhörtes!) – an Fremde verkauft worden ist. Hier in Stralsund sind in den damaligen schlechten Zeiten gar nicht Liebhaber genug dazu vorhanden gewesen, es sind also Iuden aus Hamburg als Käufer gekommen. lemma startDas Haus soll auch aufs Prächtigste eingerichtet gewesen sein, die alte Frau Hecht erinnert sich deßen noch deutlich; später, als es von einer Hand in die andere gegangen, sind die kostbaren Stücke allmählig verschwunden. Aber das Werthvollste vielleicht von Allem ist auf noch viel brutalere Weise zerstört worden, nämlich zwei große Kisten voller Papiere, die von dem alten Herrn Hecht, nachdem er das Haus erstanden, in einen Schuppen bei Seite gestellt und später, als dieses Gebäude baufällig geworden war u. abgebrochen werden mußte, als Maculatur zum einstampfen verkauft sind.kommentar Wer weiß, was für Schätze an Documenten|| dadurch verloren gegangen sein mögen! Vielleicht wichtige Correspondenzen Keith’s, vielleicht Shriftstücke Friedrich des Großen – wer weiß was alles! Ich habe beinahe geweint, als ich dies erfuhr; lieber hätten Kisten voll Iuwelen verloren gehen können! lemma startEin Beweis, daß keine Kinder da sein konnten, ist auch der, daß ein Verwandter des Hrn. v. Reichenbach, ein Präsident Heuer, Haupterbe gewesen ist.kommentar Der Name Reichenbach ist seitdem hier ganz ausgestorben; Niemand erinnert sich, ihn hier nachher gehört zu haben. Über die Persönlichkeit des Schloßhauptmanns konnte ich nichts Näheres erfahren; lemma startder städtische Archivar hat mir nur mitgetheilt, derselbe habe eine Stiftung gemacht, aus der noch jetzt zweimal jährlich bei den Schulprüfungen silberne Medaillen an die fleißigsten Schüler des Gymnasiums vertheilt werden.kommentar Frau Hecht hat in ihrer Iugend noch die Frau v. R. gesehen, wenn sie sich in ihrer Portechaise zum Besuch bei andern adligen schwedischen Damen hat tragen laßen; eine hohe stattliche Gestalt, aber das Gesicht stets tief verschleiert. Die alten schwedischen|| Geschlechter sind hier jetzt alle längst ausgestorben sie sind nur noch auf dem lemma startKirchhofkommentar zu suchen. Dahin wanderte ich auch vor einigen Tagen, um möglicherweise die Ruheställe der berühmten Frau aufzufinden u. Ihnen sagen zu können, ich habe das Letzte gesehen, das von allem Ruhm u. Reichthsvårläst p.g.a. inbindning/konserveringumoläsligt p.g.a. konservering/inbindning übrig geblieben; aber der Todtengräber versicherte, es befinde sich kein lemma startErbbegräbnißkommentar dieser Familie oder auch nur ein Leichenstein mit ihrem Namen auf dem ganzen Kirchhofe; wieder ein Beweis, daß keine Kinder da waren, die mit Liebe u. Ehrfurchtsvårläst p.g.a. inbindning/konservering den Grabhügel ihrer Ältern pflegten u. erhielten. Versunken und vergeßen – daß ist der Lauf der Welt. Wenn der Schnee geschmolzen ist, gehe ich aber doch noch einmal hinaus und suche selbst nach ob ich nicht noch in irgend einem Winkel das letzte Haus unserer Landsmännin finde.

3 Es war mir eine große Freude, in Ihrem Auftrage diese Nachforschungen machen zu dürfen, ich bedauere nur, daß ich nicht noch mehr Resultate derselben vorzeigen kann; jedoch werde ich noch immer fortfahren, hier und dort bei alten Leuten anzufragen.

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4 Inzwischen werden Sie auch meinen letzten Brief erhalten haben, der Ihnen die Ankunft Ihrer lieben und schönen Vinterquällar meldete und meinen herzlichen Dank dafür aussprach. Ia, täglich danke ich Ihnen mehr dafür, daß Sie sie geschrieben und mir erlaubt haben, mich durch’s Übersetzen mit ganzen Seele in sie hineinzuleben. Aufrichtig gestanden, kenne ich erst die erste Erzählung: Konungens handske, denn kaum hatte ich sie ausgelesen, so setzte ich mich unter dem vollen Eindruck derselben hin, sie ins Deutsche zu übertragen, und bringe jetzt jede Stunde, die ich erübrigen kann, bei dieser lieben Arbeit zu. Sie werden kaum in Finland eine begeistertere Zuhörerin haben wie mich; denken Sie doch nur, wie mich in der Fremde die Thaten und Schicksale der Savolaks-Iäger ergreifen müßen, bei denen mein Großvater Capitain u. Compagniechef, in deßen Listen mein Vater als Kind eingetragen war, und bei denen sein Bruder als 14 jähriger Knabe den Feldzug von 1788 mitmachte! Es ist, als hätten Sie mir mit dieser Geschichte eine be||sondere Freude machen wollen, als Sie dieselbe schrieben, wußten Sie nicht, daß ein solches Wesen wie ich, ein Tropfen im Weltmeer, existire; aber die Gedanken und Wege der Menschen werden oft wunderlich zu einander geführt. Meine Gedanken weilen jetzt täglich in Finland – möge Gott meinen Fuß auch noch einmal hinlenken, daß es mir vergönnt sei, neben all den Stätten die mir durch meinen Vater geheiligt sind, auch Sie, Herr Professor, kennen zu lernen!

5 Bis dahin leben Sie wohl und zeigen Sie mir hin und wieder einmal durch ein geschriebenes Wort, daß Sie mein Dasein nicht ganz vergeßen haben. Über die Fortschritte meiner Übersetzung u. die Unterhandlungen die ich mit einem anderen Verleger anzuknüpfen beabsichtige, melde ich Ihnen seiner Zeit Näheres und verbleibe inzwischen

Ihre Sie verehrende

Elisabeth Longé.

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6 Es ist in den Jahren 1811–12 in Stralsund eine alte Frau Landräthin von Reichenbach gestorben, welche eine geborene Eva Merthen aus Åbo und in ersten Ehe mit dem Feldmarschall Keith verheirathet gewesen sein soll. Varnhagen von Ense giebt den 15. October 1811 als ihren Todestag an.

7 Ich bitte ergebenst, alles was sich über die genannte dame durch das Kirchenbuch feststellen läßt, gefälligst auszuschreiben, namentlich was über ihre erste Ehe gesagt ist und ob sich ermitteln läßt, daß sie Kinder hinterlaßen hat.

8 Dieselbe hat hier in der Frankenstraße, im alten Hechtschen Hause gewohnt.

9 Elisabeth Longé,
Ossenreyerstraße 3.

 

10 Nach Angabe der Leichenregister der hiesigen Heilgeist kirche ist am 15:ten October 1811 gestorben: Eva von Reichenbach geb Märtens, Wittwe des verstorbenen Schloßhauptmanns von Reichenbach. Sie war in Finland geboren, erreichte ein alte von 88 Iahren und starb an Entkräftung.

11 Stralsund 15. II. 81.
Pfundheller

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Abschrift.

12 Nach Angabe der Leichenregister der hiesigen Heilgeistkirche ist am 15:ten October 1811 gestorben: Eva von Reichenbach geborene Märtens(?), Wittwe des verstorbenen Schloßhauptmanns von Reichenbach. Sie war in Finland geboren, erreichte ein Alter von 88 Iahren und starb an Entkräftung.

Stralsund 15. II. 81.

Pfundheller.

 

 

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    Punktkommentarer

    stycke – textställe – kommentar

    1 Nachforschungen, die ich nach der “Herzogin von Finland” gehalten Topelius omarbetade som bäst den historiska novellen »Hertiginnan af Finland» för andra cykeln av Vinterqvällar (1881). Han ville veta om novellens huvudpersoner Eva Merthen och Jakob (James) Keith var lagvigda och om de hade barn. – Ett par veckor tidigare skriver Topelius till Albert Bonnier: »’Hertiginnan’ blir så godt som ny. Haf derför litet tålamod. Jag väntar ännu de för hennes historia nödiga afskrifterna från Stralsunds arkiver» (23/2 1881).

    1 Ia, es ist Eva Merthen, die hier am 15. October 1811 verstorben ist; [...] noch einmal copirt. Longé bekräftar att Eva Merthen dog i Stralsund. I slutet av brevet har prästen i den församling som Merthen hörde till gjort en anteckning med uppgifter ur kyrkboken (eftersom prästens handstil var svårläslig gjorde Longé en avskrift, se faksimil).

    2 Hauptnachrichten viktigaste underrättelser.

    2 dieser zweiten Ehe Eva Merthens äktenskap med Johann David von Reichenbach.

    2 Nachlaß dödsbo.

    2 Das Haus soll auch aufs Prächtigste eingerichtet [...] zum einstampfen verkauft sind. Huset som Eva Merthen hade bott i uppges ha varit elegant inrett. De dyrbara föremålen försvann efterhand som huset bytte ägare. Det allra värdefullaste förstördes på ett brutalt sätt: två stora kistor med papper såldes som makulatur för papperstillverkning när skjulet där de förvarades skulle rivas.

    2 Ein Beweis, daß keine Kinder da sein konnten, [...] Haupterbe gewesen ist. Ett ytterligare bevis för att Eva Merthen och James Keith inte hade barn var att en släktning till Merthens första man var huvudarvinge.

    2 der städtische Archivar hat mir nur mitgetheilt, [...] des Gymnasiums vertheilt werden. Stadsarkivarien hade upplyst om att Merthens make hade donerat ett stipendium som utdelades i form av silvermedaljer till flitiga gymnasieelever.

    2 Kirchhof kyrkogård.

    2 Erbbegräbniß familjegrav.

    Manuskriptbeskrivning

    • Brevsignum: 3367
    • Avsändare: Longé, Elisabeth
    • Mottagare: Topelius, Zacharias
    • Arkiv: Nationalbiblioteket, Helsingfors
    • Samling, signum: Topeliussamlingen 244.35
    • Form: brev
    • Status: original
    • Format: 22,5 x 14,0 cm
    • Lägg: 2
    • Sidor brevtext: 8
    • Färg: gulaktigt
    • Kvalitet: brevpapper
    • Mönster: vattenlinjer, vattrat, präglat monogram
    • Tillstånd: välbevarat
    • Skrivmaterial: lila bläck
    • Övrigt: kartonglist

    Faksimil